Internationale Konferenz

Edition von Filmmusik

Herausforderungen der Multimedialität

Die Edition der Filmmusik von Erich Wolfgang Korngold bildet einen zentralen Bestandteil der dem Komponisten gewidmeten Werkausgabe (korngold-werkausgabe.de). Verbunden damit sind Herausforderungen der Multimedialität, die den Anlass für eine interdisziplinäre Erkundung des Themenkomplexes bieten.

Film ist ein multimediales Phänomen. Schon der Soundtrack umfasst neben der Musik weitere auditive Elemente, darunter den gesprochenen Dialog. Auf der visuellen Ebene kommen Bild, Bewegung, Interaktion und andere performative Parameter hinzu. Für Forscher:innen aus verschiedenen Disziplinen ergeben sich daraus in editorischer Hinsicht ganz neue Möglichkeiten. Neben den üblichen Aufgaben der Edition müssen Fragen der multimedialen Wechselwirkung/Synchronisation sowie der Rekonstruktion historischer Entstehungszusammenhänge berücksichtigt werden, was umgekehrt bedeutet, für die Darstellung das Potential digitaler oder hybrider Präsentationsformate auszuloten.

Ziel der Tagung ist es, den aktuellen Stand der Forschung zur multimedialen Edition von Filmmusik zu diskutieren, weiterführende Impulse zu geben und innovative Modelle zu entwickeln. Dabei soll auch die Frage erörtert werden, wie sich multimediale Werke und multimediale Editionen wechselseitig beeinflussen.

Programm

Freitag, 22. November 2024

Goethe-Universität Frankfurt am Main || Uni-Campus Westend || NG 731

Kaffeepause

Samstag, 23. November 2024

Goethe-Universität Frankfurt am Main || Uni-Campus Westend || IG 311

Kaffeepause

Mittagspause

Kaffeepause

16:15–17:15 Roundtable

Dennis Friedl, Tessa Gengnagel, Oliver Huck, Andreas Münzmay, Dennis Ried, Ben Winters

Abstracts

Keynote

Ben Winters

Reflections on the Multimedia Film-Score Edition and the Textual Instability of Film

In this paper, I reflect on the challenges and opportunities offered by the film-score edition and consider some of the ontological issues that are raised by the prospect of the multimedia edition. In its promise to position musical sources in relation to their surrounding audiovisual contexts, the multimedia edition is forced to address what I term the ‘textual instability’ of film as a medium; that far from being a fixed audiovisual object, around which multiple manuscript musical sources might be gathered, film can frequently exist in multiple released variants that may directly affect the musical component heard. These variants can appear as a result of historical distribution practices such as cinematic rereleases or telecine processes that transfer film to video for the purposes of television broadcast; however, variants can also arise due to the near simultaneous release of movies in different film gauges and with alternate sound mixes. In considering the music and sound variants encountered in 35mm and 70mm prints of The Empire Strikes Back (dir. Irvin Kershner, 1980) alongside its early home-entertainment release on Super 8 film, I suggest that any multimedia edition of a film score needs not only to acknowledge the ‘multitext’ of musical sources but also to recognise film’s inherent materiality and its ontological complexity as an aesthetic object with sometimes competing authorial claims.

Axel Berndt & Andreas Münzmay

Digitale Interpretationsedition und Filmmusikedition als multimodale Schwestern – Gemeinsame Herausforderungen und Lösungsansätze

Im Bereich der Digitalen Musikphilologie sind derzeit innovative Aktivitäten insbesondere dort zu beobachten, wo Musik in ihrer klingenden Modalität ins Spiel kommt. Dies ist kein Zufall, sondern dem methodischen und forschungspragmatischen Umstand geschuldet, dass erst in digitalen Editionsumgebungen cross-modale bzw. multimodale Editionen möglich geworden sind, die nicht mehr notwendig nur innerhalb der Grenzen der traditionelle (Noten-)Schriftlichkeit operieren müssen. Im Gegenteil wird gerade auch klangschriftliche (phonographische) Musiküberlieferung philologischen Methoden, also der kritischen Edition und Annotation zugänglich (Münzmay/Siegert 2019). Im Vortrag stellen wir zunächst unser Konzept einer Digitalen Interpretationsedition vor und demonstrieren anhand erster Prototypen Arbeitsprozesse und das grundlegende Datenmodell, welches notenschriftliche und phonographische Quellen (d. h. konkret: Aufführungsmaterial und die mithilfe dieses Aufführungsmaterials erarbeitete Audioproduktion) auf gleicher Ebene zum Editionsgegenstand macht und miteinander in Verbindung stellt.

Davon ausgehend diskutieren wir theoretische und methodische Anschlussfähigkeit und Gemeinsamkeiten zur Filmmusikedition: Hier gilt es ebenso, notenschriftliche Partituren und die auf deren Basis erarbeiteten Audioproduktionen, sei es in gebundener Form als die konkrete Tonspur eines bestimmten Filmschnitts, sei es in abstrakter Form als nur auditiver ‚Soundtrack‘, editorisch unmittelbar in Verbindung zu bringen und in einer gemeinsamen, modalitätsübergreifenden editionstechnischen Umgebung über Annotationsapparate in ihrem Bezug aufeinander zu erschließen. Hiermit wird es möglich, der untrennbar im Kompositionsprozess bereits mitgedachten Performativität von Filmmusik editorisch Rechnung zu.

Als ein zentrales Werkzeug zur formalen, philologisch-‚text’- kritischen Beschreibung der musikalischen Eigenschaften von Audioproduktionen steht das MEI-kompatible Format Music Performance Markup (MPM) zur Verfügung (Berndt 2021).

Roberto Calabretto & Luca Cossettini

The New Musical Writings for Cinema: History, Sources and Compositional Practices

Until the end of the 20th century, film music was studied in particular from an aesthetic and narratological perspective. The interaction between soundtrack and moving images has also been investigated with the aim of understanding the role of music in the audiovisual dramaturgy of the film medium. Since the early 2000s, scholarly literature has increasingly focused on the creative process of music for film, which in most cases has been reconstructed through the study of preliminary materials stored in composers' personal archives. This research has focused in particular on the soundtracks of the decades between the 1930s and the 1980s, where the writing took place predominantly on paper. The transition from paper to computer tools has led to a substantial increase in the lability of sources, which rarely keep track of the various stages of genesis and are subject to the risk of rapid obsolescence. The study of the creative process of new music writing for film requires appropriate methodologies capable of investigating how and to what extent the development of increasingly advanced technologies may have influenced compositional paradigms. It is also of great interest to uncover the way in which the composition process can be documented and depicted. Within this small panel, we will present a computer model for the representation of the relationships between sources aimed at the restitution and study of the creative process in which the different phases of the setting up of a soundtrack can be deduced. It will highlight the complexity of the different production phases by investigating the philological problems arising from the often complex relationships established between different forms of fixation of the musical memory (written, audio, video). From this model, it will be possible to visualise all the 'documents' that contribute to the creation of the film soundtrack and, above all, their relationships that arise from time to time. Such a tool also proves to be of great use in teaching.

Dennis Friedl

Multimedia in the Scholarly Editing Software Edirom-Online. Current and Future Possibilities

Die auf die Präsentation von historisch-kritischen Musikeditionen ausgelegte Software Edirom-Online (inkl. Vorgänger seit 2006) ermöglicht den Nutzerinnen und Nutzern, auf einfache Weise auf digitale Faksimiles zuzugreifen und dank dafür ausgelegter Funktionalitäten wissenschaftlich mit ihnen zu arbeiten. Faksimiles können nebeneinandergelegt, konkordante Takte miteinander verglichen werden und textkritische Anmerkungen weisen auf Unterschiede hin. Dank ihrer Open-Source-Natur hat die Edirom seit ihrer Einführung kontinuierliche Weiterentwicklungen erfahren. Doch trotz bestehender Ansätze, die Edirom in ihrer Funktionalität multimedial zu erweitern – hiermit experimentierte etwa das Projekt Freischütz Digital (2012-2015) – blieb ihre hauptsächliche Auslegung auf musikalische Bilddaten klar bestehen.

Jüngste Entwicklungen, insbesondere angestoßen durch den Projektstart von Edirom-Online- Reloaded (2024–2027) und die gestiegenen multimedialen Anforderungen an digitale Editionen, wie sie etwa die Korngold-Werkausgabe (2021–2045) stellt, führen jedoch nachhaltig zur multimedialen Erweiterung der Edirom und machen diese – so die These – immer mehr zu einer geeigneten Plattform für die Präsentation auch multimedialer Editionsdaten.

Im Rahmen der Tagung sollen zunächst die neuen und zukünftigen Möglichkeiten der Edirom-Software vorgestellt werden, die es erlauben, multimediale Daten nicht nur nebeneinandr, sondern auch in historisch-kritischer Beziehung zueinander zu präsentieren. Ich werde auch auf die aktuellen Herausforderungen bei der Implementierung dieser neuen Funktionen eingehen und mögliche Lösungen diskutieren. Dank integrierter Video- und Audioplayer lassen sich nun AV-Daten einbinden, die synchronisiert mit anderen Medien und Quellen – etwa Faksimiles handschriftlicher Notensätze – in einer parallelen Ansicht den dynamischen Vergleich zwischen statischen und zeitbasierten Daten in einer multimedialen Edition ermöglichen. Die Realisierung einer solchen Multimediapräsentation erfordert eine maschinenlesbare Kodierung der Daten in MEI sowie die Synchronisation von Audiospuren und musikalischer Notation.

Diese neuen und zukünftigen Funktionalitäten der Edirom sind dabei in besonderer Weise von anderen Editionsprojekten nachnutzbar, da sie als eigenständige technische Komponenten konzipiert werden, die unabhängig von der Edirom funktionsfähig sind. Dadurch lassen sie sich flexibel in andere Projekte integrieren und in deren eigenen Editionsumgebungen sowie Webauftritten einsetzen, selbst wenn diese nicht auf Edirom-Online basieren. Wir hoffen, auf diese Weise multimedialen Editionsprojekten, die häufig auf eine Vielzahl verschiedene Softwarelösungen angewiesen sind, eine niederschwelligere Nachnutzung von bestehenden Technologien zu ermöglichen.

Johannes C. Gall & Silke Reich

Hybrid Film Music Editing. The Case of „The Adventures of Robin Hood”

In our paper, we present the editorial concept developed for Series C: Film Music of the Erich Wolfgang Korngold Werkausgabe (EWK-WA). Building on the current state of editorial techniques, we examine the limitations of a purely print-based edition and contrast these with the opportunities afforded by digital and hybrid editorial approaches, particularly in relation to multimedia content. Using the film score for The Adventures of Robin Hood (Warner Bros., 1938) as a case study, we explore the unique challenges posed by the complex source material and introduce the EWK-WA’s hybrid, multitextual approach to editing film music.

Tessa Gengnagel

Superstructures

Der Beitrag zielt auf eine theoretische Einrahmung multimedialer editorischer Herausforderungen an der Schnittstelle zwischen Philologien, Filmwissenschaft und Musikwissenschaft. Hierbei sind vor allen Dingen drei Bereiche zu unterscheiden: 1) Die Erweiterung des Editionsgegenstandsbereichs (in Loslösung von einem notationellen Paradigma der Reproduktion); 2) die Erweiterung des Publikations- und Präsentationsspektrums editorischer Intention (in fließendem Übergang zum ‚Archiv‘ und zur ‚Ausstellung‘ von Kulturerbe, von einer stabilen Referenzgrundlage hin zu einer dynamisierten Erlebbarmachung); 3) die methodische Grundsteinlegung der informationswissenschaftlichen Modellierung von editorischen Komponenten und ihres Verhältnisses zueinander.

Der Beitrag wird eine Übersicht zur editionshistorischen Einordnung dieser Aspekte geben und sich dann der Erörterung folgender Schwerpunkte widmen: Variante Überlieferung am Beispiel von Film und Musik, besondere Herausforderungen multimedialer Verweissysteme, Modellierungsdimensionen der gezeigten Beispiele. Modellierung ist hier nicht gleichzusetzen mit einem Umsetzungsvorschlag in einer bestimmten Technologie oder Auszeichnungssprache, sondern der höher angesetzten Rekonzeptualisierung von Verweisstrukturen und des editorischen Nachdenkens über die Ebenen, die es abzubilden gilt. Die Auswahl an Beispielen wird unter besonderer Berücksichtigung von Versionenfilmen – Die Drei von der Tankstelle / Le Chemin du paradis (1930) –, Filmen mit multiplen Filmmusiken – Night and the City (1950) – sowie variant tradierten Liedguts mit Ursprung im Film – „I’m an Old Cowhand (From the Rio Grande)“ von Johnny Mercer für Rhythm on the Range (1936) – erfolgen. Insbesondere an letzterem Beispiel lässt sich eine Herausforderung der Modellierung nachvollziehen, die neben der Erfassung von Überlieferungsvarianz (abweichende Single-Veröffentlichung, weitere Vorkommen u.a. in King of the Cowboys (1943)) in der Frage der Rekontextualisierung wurzelt und wie diese bei zeitbasierten Medien hergestellt werden kann.

Zum Schluss des Beitrags wird es daher um die übergeordnete Differenzierung von Annotations überlegungen gehen, die mit der Problematisierung einer Vorstellung von Superstrukturen und Metastrukturen verbunden sind, anhand derer Bezüge sowohl unter verschiedenen Zeugen als auch von Zeugen zu dem (kulturellen) Zeitkontext hergestellt werden können sollen, in den sie eingebettet sind.

Derek Greten-Harrison

The 20th Century-Fox Songbook: Restoring a Hollywood Studio's Musical Legacy

My talk will trace the process of restoring classic film music with an eye toward creating a new performing edition. It also discusses the various primary source possibilities (partiturs, piano-conductor scores, studio pre-recordings and playbacks, etc.), present some creative solutions to possible challenges, and feature some highlights of the finished recording.

Jörg Holzmann

Tonfilme, Interpretationsforschung und die Herausforderungen der Notation von Bewegungen

Frühe Tonfilme stellen eine vielschichtige Informationsquelle für aufführungspraktische Fragestellungen dar, weil sich anhand ihrer durch die zusätzliche, bewegt-visuelle Ebene Erkenntnisse, welche anhand reiner Tondokumente gewonnen wurden, erweitern, revidieren oder gar falsifizieren lassen. Aspekte wie die Ausführung spezifischer Bewegungsabläufe, Körperhaltung, Mimik und Gestik, (Selbst-)Inszenierung, sowie verwendetes Instrumentarium gewähren Einblicke, die über reine Spiel- oder Gesangstechnik hinausgehen und auch für Musiksoziologie, Gender Studies oder die Organologie von unschätzbarem Wert sind. Filme mit mehreren Musiker*innen erlauben zudem eine genauere Untersuchung von Interaktionen und ihrer Ausprägung.

Da der Tonfilm seit mittlerweile rund 100 Jahren zum festen Repertoire der für die Musikwissenschaft ausschlaggebenden Medien gehört, verwundert es doch, dass bisher mit wenigen Ausnahmen keine nennenswerten Versuche unternommen wurden, ihn im Hinblick auf Fragestellungen der Interpretationsforschung systematisch zu untersuchen und methodisch aufzubereiten.

Ein Teil des hier vorgestellte Dissertationsvorhabens, welches sich dieses Forschungsdesiderats annimmt, besteht aus einer Erweiterung der Close listening-Methode nach Leech-Wilkinson 2009 und Cook 2014 (vgl.: Cook: Beyond the Score: Music as Performance. Oxford 2014, S. 135–175.) um die Erfassung und Dokumentation optischer Informationen. Dazu gehören sowohl die verschiedenen Kameraeinstellungen und die Positionierung der Musiker*innen im Raum sowie dessen Beschaffenheit als auch eine Untersuchung des Körpereinsatzes und der Interaktion zwischen den Musiker*innen sowie der Interaktion der Musiker*innen mit der Kamera und damit einhergehend oder auch davon losgelöst der mimisch-gestischen Aktivitäten. All dies wird vom Forschenden in einem dazu angelegten Schema festgehalten und gemeinsam mit spielpraktischen oder gesanglichen Beobachtungen anhand speziell dafür entwickelter Symbole in die Partitur des dem Musikvideo zugrundeliegenden Stückes eingetragen.

Ziel des Vortrags ist es, einen Weg aufzuzeigen, wie diese Daten visualisiert werden können, wobei ein hybrides Format angestrebt wird, das sich aus Notentext, Annotationen, Kontextinformationen zu den (historischen) Musizierenden und selbstredend den jeweiligen Filmsequenzen (bewegt oder als Standbilder) zusammensetzt.

Oliver Huck

Eine Phänomenologie der „Stummfilm-Partitur“. Prolegomena zur Edition von Filmmusik

Vor jedweder editorischen Entscheidung steht ein Verständnis des Gegenstandes. Notentexte von Filmmusik haben im Tonfilm und im sogenannten Stummfilm insofern eine grundsätzlich unterschiedliche Funktion als sie in ersterer analog etwa zu Drehbüchern Hilfsmittel im Produktionsprozess sind, dessen akustischer Teil mit der Tonspur seinen definitiven Abschluss findet, in letzterer hingegen das Aufführungsmaterial darstellen, das in jeder Filmvorführung als akustisches Komplement zum Film neu zu realisieren ist.

Frühe „Partituren“ von Filmmusik wurden, sofern es sich nicht ohnehin ausschließlich um Musik für Klavier handelte, überwiegend nicht als Partituren, sondern in Stimmen publiziert. Dennoch etablierte sich ab 1915 in den USA die Bezeichnung von Musik zu einzelnen Filmen als „score“, ein Begriff der zunächst einerseits unabhängig davon, ob es sich um komponierte oder kompilierte Musik handelt, eine Abgrenzung gegenüber nicht als eingerichtetem Notentext verbreiteten Musikzusammenstellungen („cue sheets“) und andererseits eine präzise Synchronisation mit dem Film im Gegensatz zu einer bloßen Folge von Musikstücken („musical settings“) bezeichnet.

Die wenigen (aber mit allein ca. 150 Drucken bis 1918 gar nicht so wenigen) erhaltenen frühen „Partituren“ mögen als Einzelfälle erscheinen, tatsächlich sind sie jedoch vor dem Hintergrund einer erheblich größeren Zahl von verlorenen Partituren zu sehen und erlauben damit Rückschlüsse auf die Phänomenologie von „Stummfilm-Partituren“ und die Aufführungspraxis von Filmmusik. Sie knüpfen in Bezug auf die Indikation der Koordination von Handlung und Musik teilweise an Praktiken von Bühnenmusik unterschiedlicher Gattungen an.

Der Beitrag versteht sich als Prolegomena zur Edition von Filmmusik, indem Beschaffenheit und Status von „Partituren“ von Filmmusik diskutiert und Fragen der Synchronisation von Musik und Film unter dem Aspekt der Projektionsgeschwindigkeiten der Filme sowie des editorischen Umgang mit verlorenen Filmen erörtert werden.

Fabian Müller

Komponieren und Inkorporieren. Herausforderungen der Edition von Musik und Film am Beispiel von Joseph Carl Breil

1939 erschien der für fünf Oscars nominierte Film The Private Lives of Elizabeth and Essex mit Musik von Erich Wolfgang Korngold. Dieser verwendete formal geschlossene Stücke und eingegliedertes, fragmentarisches Material (Robbert van der Lek unterscheidet zwischen „arrangements“ und „incorporating existing material“) später wieder, so das diegetische Duett im Film als „O Mistress Mine“ in Narrenlieder op. 29 und Themen aus der Filmmusik in der Symphonie in Fis op. 40. Diese Praxis lässt sich bereits an der Musik zu Stummfilmen von Joseph Carl Breil skizzieren, der etwa für The Birth of a Nation (1915) nicht nur präexistente Musik verwendete, sondern auch auf seine eigene Musik zu Queen Elizabeth (1912) zurückgriff. Diesem Film liegt das gleiche Sujet zugrunde wie The Private Lives of Elizabeth and Essex. Breil verwendete dasselbe Material später auch in seiner Musik für Intolerance (1916), nahm es in die Musikkompilation zur Stummfilmbegleitung Motion Picture Plays (1917) auf und verarbeitete es auch in seiner Oper The Legend (1919). Dieser Aspekt ist bisher weder in Gillian B. Andersons Rekonstruktionsversuchen der Premierenfassung des Films Intolerance noch in Martin Miller Marks Analyse von The Birth of a Nation untersucht worden.

Der Vortrag vertritt die These, dass die Wiederverwendung von Stücken oder Themen in der Musik zu Stummfilmen in der kritischen Filmmusikedition sowohl philologisch als auch semantisch zu reflektieren ist. Die intermediale Wiederverwendung bietet aufgrund der Anpassungen des musikalischen Materials editorische Herausforderungen. Die kontextualisierende Relation dieser unterschiedlichen Fassungen der Stücke und Themen zielt einerseits auf die Unterscheidung des jeweiligen Handlungskontextes ab, da dieser den Themen oder Stücken eine neue, von der ursprünglichen losgelöste semantische Bedeutung gibt. Andererseits können Rückschlüsse auf die Instrumentation gezogen werden, die für eine Rekonstruktion der Orchestration dort von Bedeutung sind, wo einzelne Filmmusiken nur für Klavier überliefert sind.

Simone Nowicki

Edition von Filmmusik Herausforderungen der Multimedialität (Un-) Sichtbarer Krach: Die Marginalisierung und Visualisierung von Geräuschemacher*innen in der Edition von Filmmusik

Dieser Vortrag untersucht die historische Marginalisierung von Geräuschemacherinnen und die daraus resultierenden Herausforderungen bei der Archivierung und Anerkennung ihrer Arbeit, insbesondere im Kontext von Filmmusik.

Obwohl Geräuschemacher*innen wesentlich zur Schaffung immersiver auditiver Erlebnisse beitragen, bleibt ihre Arbeit in Archiven und Publikationen oft unterrepräsentiert und wenig gewürdigt. Die hierarchische Unterscheidung zwischen Bild und Ton hat dazu geführt, dass Geräuschemacher*innen in der deutschen Filmgeschichte oft auf eine Fußnote reduziert wurden. Die mangelnde Anerkennung als eigenständige Berufskategorie und der wahrgenommene sekundäre Status in der Produktionshierarchie verschärfen diese Marginalisierung.

Die Erfahrungen der Geräuschemacherin und Doktorandin Simone Nowicki bei der Veranstaltung „Let's Play“ 2024 in der Elbphilharmonie Hamburg unterstreichen diese Herausforderungen. Die Verbindung von Live-Gaming, Film-Musik und Orchestermusik stellte eine neue Herausforderung dar, bei der die Live-Geräusche nicht nur das Spielgeschehen unterstützen, sondern auch mit dem Orchester harmonieren und den akustischen Anforderungen des Konzertsaals gerecht werden mussten.

Wie können die individuellen Beiträge der Geräuschemacher*innen sichtbar gemacht und ihre kreativen Prozesse dokumentiert werden? Welche technischen und methodischen Ansätze sind erforderlich, um die Komplexität solcher multimedialen Werke zu erfassen und zu vermitteln? Initiativen wie Foley.eu spielen eine entscheidende Rolle dabei, die Kluft zwischen Foley-Künstler*innen zu überbrücken und ihre Anerkennung in der Musikbranche zu fördern. Dieses Exposé fordert eine kritische, interdisziplinäre Auseinandersetzung mit der historischen Marginalisierung dieser Berufsgruppe und die Entwicklung neuer Ansätze, um ihre Beiträge zu archivieren. Die persönliche Perspektive von Simone Nowicki und ihre Erfahrungen bei „Let's Play“ dienen dabei als Ausgangspunkt für eine Reflexion über die Herausforderungen und Möglichkeiten der multimedialen Edition von Filmmusik im 21. Jahrhundert.

Dennis Ried

Hybride Edition – Der Inbegriff von Multimedialität?

Multimedialität gehört zum Wesen des Films, aber auch zur hybriden Edition. Doch in welchem Zusammenhang steht die Edition von Filmmusik zur hybriden Edition? Was ist aus editionsphilologischer Sicht überhaupt ein solcher Hybrid und welche Eigenschaften weist dieser auf?

Hybride Editionen finden sich in der Musikwissenschaft besonders häufig in Langzeitprojekten wider – man denke hierbei an die Reger-Werkausgabe, das OPERA-Projekt, die Bernd Alois Zimmermann-Gesamtausgabe und die Erich Wolfgang Korngold-Werkausgabe. Im Kontext hybrider (Musik-)Editionen wird meist auf die Forschungssoftware Edirom zurückgegriffen und doch ist das Thema hybride Edition und auch die Edirom in den vergangenen 15 Jahren nie ausführlich von der Forschung behandelt worden. Bislang unbeantwortet geblieben ist in diesem Kontext zum Beispiel die Frage der Konzeption und der Gewichtung digitaler Aspekte. Denn allein die Verwendung der Edirom führt nicht automatisch zu einer „echten“ hybriden Edition, oder doch? Eine eingehendere Betrachtung ist also längst überfällig. Einen Grundstein für einen solchen Diskurs habe ich in meiner Dissertationsschrift gelegt. Doch damit ist dieses Thema bei weitem noch nicht erschöpft, denn gerade der Aspekt der Multimedialität wird in der von mir vorgelegten Schrift lediglich angeschnitten. Mit diesem Vortrag bietet sich die Möglichkeit, ebendort anzusetzen und die Gedanken zur Multimedialität im Hinblick auf hybride Editionen auszuweiten.

Der Vortrag beleuchtet zunächst den Begriff der Hybridität im Allgemeinen, bevor Editionen im Edirom-Kontext und die Forschungssoftware selbst in den Blick genommen werden. In Bezug auf die Verwendung der Edirom ist vor allem der Anteil der Digitalität zu untersuchen. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf dem Aspekt der Multimedialität und auch die Filmmusik soll dabei in den Fokus genommen werden.

Lageplan

Kontakt

Bei Fragen und für weitere Informationen wenden Sie sich gerne an editing-film-music@korngold-werkausgabe.de.